Kassel-Keine Kreise mehr und keine Bezirke, mehr Hauptamtlichkeit, dazu eine Nachwuchsförderung, die sich stärker an Leistung orientieren soll. Der Hessische Tennisverband hat auf der Jahreshauptversammlung in Frankfurt mit großer Mehrheit seine angepeilte Strukturreform beschlossen. Das hat zur Folge, dass die Tennisbezirke und Kreise ab dem 30. September 2025 nicht mehr in der neuen Satzung existent sind.
Nach über zweijähriger Vorbereitungszeit durch zwei hauptamtliche Mitarbeiter des HTV – Jörg Barthel und Nico Porges – wurde dieser Schnitt nun durch eine Satzungsänderung vollzogen. Lediglich ein Verein des Tenniskreises Waldeck-Frankenberg stimmte gegen den Antrag, sodass er mit überwältigender Mehrheit und ohne größeren Diskussionen beschlossen wurde.
Für den Tennisbezirk Nordhessen und die fünf dazugehörigen Kreise bedeutet dies, dass zum 1. Oktober keinerlei finanzielle Mittel vom Landesverband fließen werden und somit eine Weiterarbeit kaum möglich sein wird. Bezirksvorsitzender Rolf Schacht (SGT Baunatal), als auch Wolfgang Henrich (Kassel-Land) und Manfred Jungnitsch (Kassel-Stadt) werden auf noch anzuberaumender JHV ihren Vereinen die Auflösung dieser Gremien zum 31. Dezember empfehlen.
Der Tenniskreis Waldeck Frankenberg wird wohl weiter machen, muss sich aber eine neue Satzung geben. Schwalm Eder ist noch unentschlossen, der Kreis Fulda/Werra funktioniert schon seit 2016 nicht mehr ordentlich, hat sich aber auch noch nicht abgemeldet. Da Kreise und Bezirke eingetragene Vereine sind, können sie nicht einfach abgeschafft werden „Wenn sie sagen, wir lösen uns nicht auf, dann werden sie fortbestehen“ sagte Porges, Leiter Vereinssport beim HTV. Gliederungen des HTV wären sie bei Inkrafttreten der neuen Satzung aber nicht mehr.
Die Strukturreform zielt darauf ab, dass der HTV allein, aber mit mehr Personal im Hauptamt agieren will. Zukünftig soll sich der Verband statt in Bezirke und Kreise in die Regionen Nord (entspricht den Regierungspräsidien Kassel und Gießen) sowie Süd (RP Darmstadt) aufteilen. Das Problem sei, dass im Norden „Fläche und Anzahl der Mitglieder überhaupt nicht korrelieren“, sagt Porges. Zwar ist HTV-Nord räumlich bald doppelt so groß ist wie HTV Süd, hat aber deutlich weniger Mitglieder (rund 40.000 zu rund 96.000). Eine Antwort darauf: Für den Norden arbeiten zwei der neuen Regionalkoordinatoren, im Süden einer.
Begründet wurde die Reform auch mit der Tatsache, dass insbesondere in Südhessen kaum noch Vorstandsmitglieder zu ehrenamtlicher Tätigkeit bereit waren. „Wir versuchen jetzt, uns zu professionalisieren und den nächsten Schritt zu machen. Perspektivisch gibt es in meinen Augen keine Alternative“, so Porges. Der HTV beziffert die unbesetzten Posten in Bezirken und Kreisen aktuell auf 20 Prozent, den Altersschnitt auf Ü60. Ein Dorn im Auge war dem HTV auch, dass über 700 Jugendliche in Bezirken und Kreisen gefördert wurden, die nur eingeschränkt talentiert sind. Der Verband will die Zahl auf etwa 200 reduzieren. „Das meiste Geld, das wir ausgeben, geht in die Jugendförderung“ sagt Nico Porges. Und „Es werden Kinder gefördert, die weder das Alter noch das Talent haben, um förderungsfähig zu sein“. Mitunter seien 18-jährige darunter, „die später mal in der Kreisklasse spielen werden“. Er weiß aber auch „Das Thema ist hochemotional“
Die Arbeit, die in den Bezirken und Kreisen geleistet wird, sei schätzungsweise „zu 80 Prozent Jugend“ und ja nicht schlecht. Dazu werde mit dem Kadertraining Geld verdient „Ob dieses Training sinnvoll ist, darf man aber diskutieren“ sagt Porges. Bezirksjugendwart Klaus-Dieter Stondzik sieht insbesondere für Nordhessen einen klaren Nachteil, da man zu weit vom Landesleistungszentrum Offenbach entfernt ist. Kleinere sowie ländliche Vereine befürchten zudem, dass ihre Talente auf der Strecke bleiben.
WILFRIED MÜLLER UND GERHARD MENKEL
KOMMENTAR:
Schläger nicht in Tonne kloppen
VON SVEN KÜHLING
Vorweg: Tennis in Deutschland erlebt dank Sascha Zverev und der jungen, frischen Eva Lys derzeit einen Schub. Zwar nicht so fulminant wie zu Steffi Grafs und Boris Beckers Zeiten. Aber zumindest gibt es mal wieder Vorbilder. Und der Tennisschläger im Rucksack gehört wieder zum Straßenbild. Spitzensportler sind die eine Kraft, die den Nachwuchs für eine Sportart begeistert. Eine andere sind fähige Trainer und ein funktionierender Spielbetrieb.
Mit der Abschaffung der Kreise und Bezirke im hessischen Tennissport ist zu befürchten, dass das alles leidet. Drei Hauptamtliche für ganz Hessen können die bislang von vielen Ehrenamtlichen geleistete Arbeit kaum auffangen. Schon jetzt steht fest, dass von ehemals 750 Kaderplätzen im Kreis- und Bezirkstraining nur 200 übrig bleiben. 550 Kinder werden auf der Strecke bleiben. Genauso hängt damit mancher Kreis- und Bezirkstrainer in der Luft. Schade.
Wenn die Vereine jetzt keine alternativen Trainingsangebote schaffen, werden die Alleingelassenen ihre Schläger wohl bald in die Tonne kloppen Bitte nicht! Denn Tennis ist ein Sport für’s ganze Leben. Für Kinder, Jugendliche, Paare, Familien und Teams aller Altersstufen. Tennis kann Teil der großen, weltweiten Fitnesswelle sein, durchaus mit Eignung für Social Media.
Eine weitere Diskussion zur Reform ist aber leider unnütz. Die ist nämlich schon beschlossene Sache.
sok@hna.de
Quelle: HNA | Artikel vom 27.02.2025 | www.hna.de
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